Das Prinzip Hoffnung für die Luxemburger Wirtschaft
Das Prinzip Hoffnung für die Luxemburger Wirtschaft
Die Handelskammer hat am Donnerstag Bilanz gezogen – und die sah ernüchternd aus. 2022 war kein gutes Jahr.
Gerade fing die Wirtschaft an, sich von der Pandemie zu erholen und sich an Lieferketten und höhere Inflation anzupassen, kam der Krieg in der Ukraine, der den Preisauftrieb vollends eskalierte, sagt der Generaldirektor der Handelskammer, Carlo Thelen. „Neben den konjunkturellen Schwierigkeiten, die die Betriebe belastet, litt die Luxemburger Wirtschaft aber auch schon vorher unter strukturellen, die jetzt durch die aktuelle Krise noch verschärft werden.“
Zwar ist der Abschwung in Europa nicht ganz so schlimm, wie zuvor befürchtet worden war: Für die Eurozone als wichtigster Markt der Luxemburger Wirtschaft beträgt das reale BIP-Wachstum im Jahr 2022 insgesamt 3,2 Prozent. Für Jahr 2023 werden 0,3 Prozent erwartet.
„Die Luxemburger Wirtschaft steht auf den ersten Blick ganz gut da“, erklärt Thelen.„Allerdings darf man nicht vergessen, dass sie durch die staatlichen Hilfspakete gedopt ist.“
Teure Krisenmaßnahmen
Vor allem die vielen staatlichen Hilfspakete helfen den Unternehmen – sie kosten aber auch. Krisenbedingt hat Luxemburg in den Jahren 2020 bis 2022 Darlehen über rund 6,6 Milliarden Euro aufgenommen; weitere 2,65 Milliarden sind für 2023 vorgesehen, sodass der Schuldenstand auf 26,3 Prozent anwächst. 2026 wird er mit 27 Milliarden Euro bei knapp 30 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung liegen. „Darunter leidet dann die junge Generation, die das bezahlen muss“, so Thelen. Jahr für Jahr steigen die Ausgaben des Staates um sechs bis sieben Prozent, gibt Thelen zu bedenken.
Die Wettbewerbsfähigkeit nimmt ab.
Carlo Thelen, Generaldirektor der Chambre de Commerce
In seiner jüngsten „note de conjoncture“ prognostizierte der Statec 3,4 Prozent Inflation und 1,5 Prozent Wirtschaftswachstum für das kommende Jahr in Luxemburg. „Früher war das Wirtschaftswachstum unserer Wirtschaft deutlich über dem EU-Durchschnitt. Das ist heute nicht mehr so.“ Thelen spricht bei Luxemburg von einem „virtuellen Wachstum“, da die Produktivität der hiesigen Wirtschaft immer weiter abnehme. Langfristig sei auch in EU-Statistiken die Luxemburger Wettbewerbsfähigkeit „rot“. Die Lohnstückkosten in Luxemburg seien zu hoch. Laut Handelskammer braucht Luxemburg aber ein jährliches wirtschaftliches Wachstum von drei bis vier Prozent, um den hohen Lebensstandard des Landes aufrechtzuerhalten.
Die Situation sei nicht mehr so einfach, zumal auch der Haupthandelspartner Deutschland 2023 in der Rezession befinde, sagt der Handelskammer-Chef. „Die Konjunktur bleibt schwach.“
Inflation muss zurückgehen
Das laufende Jahr wird eine Inflationsrate in der Eurozone von 8,5 Prozent haben. Die Hoffnung sei, dass im kommenden Jahr die Teuerung zurückgehe. Thelen verweist darauf, dass eine Inflation von acht Prozent drei Indextranchen bedeutet.
Ob die Europäische Zentralbank durch Zinserhöhungen die Inflation bremsen kann, muss sich erst zeigen. „Wie effektiv ist die Geldpolitik der EZB?“, fragt Thelen dabei, „und welchen Impakt hat sie auf die Betriebe?“ Werden Kredite teurer, werden Betriebe wahrscheinlich auch weniger investieren – das schwächt die Wirtschaft insgesamt weiter.
Global gesehen herrscht in der Wirtschaft ein Klima der Unsicherheit.
Nicolas Liebgott, Ökonom der Chambre de Commerce
„Global gesehen herrscht in der Wirtschaft ein Klima der Unsicherheit“, erklärt der Ökonom der Handelskammer, Nicolas Liebgott, was sich bei Luxemburger Unternehmen in einem Rückgang bei den Aufträgen niederschlägt. Die importierte Inflation belastet auch wichtige Handelspartner Luxemburgs, neben Deutschland beispielsweise Großbritannien, dessen Londoner Finanzplatz eng mit dem luxemburgischen verwoben ist. Thelen betont mit Blick auf die Finanzbranche, dass sie einen erheblichen Teil zum Staatshaushalt beiträgt. „In Zukunft werden die Banken aber nicht mehr so viel zum Budget beitragen, da viele Aktivitäten von früher wegbrechen.“ Schwächelt aber die Finanzbranche des Landes, ist das schlecht für ganz Luxemburg.
„Die Herausforderungen sind enorm“, sagt Thelen. Er hofft, dass nach den Chamberwahlen 2023 eine öffentliche Debatte über Wirtschaft und Staatshaushalt beginnt und sich die Politik dringender Themen wie Steuer- und Rentenreform annimmt, denn „die Reserven schmelzen schnell“. Der Sozialversicherungssaldo wird sich von 1,2 Milliarden Euro im Jahr 2019 auf 679 Millionen Euro im Jahr 2026 verschlechtern. Und während heute auf einen Rentner noch 2,4 Beitragszahler kommen, werden es 2030 nur noch zwei Beitragszahler sein.
Wir müssen aus der Dauerschleife herauskommen. Die Sozialausgaben müssen ins Gleichgewicht kommen.
Carlo Thelen, Generaldirektor der Chambre de Commerce
Thelen: „Wir müssen aus der Dauerschleife herauskommen. Die Sozialausgaben müssen ins Gleichgewicht kommen.“ Auch die staatlichen Investitionen müssten einer Überprüfung unterzogen werden und Staatsbeteiligungen selektiver werden.
Eine Reform der öffentlichen Verwaltung und Vereinfachung der Prozeduren und Reglementierungen seien ebenfalls überfällig. Das täten der Wirtschaft gut, denn der Aufwand für Betriebe, die zudem noch durch den Fachkräftemangel gebremst würden, werde immer größer.
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