Corona-Virus: Die Angst vor den wirtschaftlichen Folgen wächst
Corona-Virus: Die Angst vor den wirtschaftlichen Folgen wächst
Es ist ein ungewöhnlicher Blick: Am Flughafen Findel sind seit einigen Tagen Cargolux-Flieger geparkt. Wie lange die Maschinen schon auf Fracht warten, ist von der Frachtfluggesellschaft nicht zu erfahren – dennoch wurde bereits in der vergangenen Woche bekannt, dass das Unternehmen die Zahl der Flüge nach China bis auf Weiteres reduziert hat.
Der ernste Hintergrund: Die traditionell landesweiten Ferien zum chinesischen Neujahrsfest sind in China von vielen Behörden, Städten und Firmen verlängert worden, um die Ausbreitung des gefürchteten Corona-Virus möglichst in Grenzen zu halten – die Verflechtungen der Weltwirtschaft führen dazu, dass der Kampf gegen die Lungenerkrankung einen Produktionsstopp in vielen Wirtschaftszweigen erzwungen hat.
Und so sind auch im Cargocenter am Luxemburger Flughafen, das von LuxairCargo betrieben wird, die Folgen des Corona-Virus zu spüren. „Zahlreiche Flüge wurden abgesagt“, bestätigt ein Luxair-Sprecher.
Mehr als 1000 Tote
Nachdem das Corona-Virus Ende Dezember in der chinesischen Millionenmetropole Wuhan ausgebrochen ist, sind weltweit nach vorsichtigen Schätzungen mehr als 42.000 Menschen infiziert, mehr als 1000 Todesopfer hat die Lungenerkrankung bislang gefordert. Und das Virus verbreitet sich noch immer mit rasanter Geschwindigkeit – in Luxemburgs Nachbarländern Deutschland und Frankreich wurden bereits insgesamt 25 Fälle gemeldet.
Auch wenn das Großherzogtum selbst noch nicht betroffen ist: Die chinesisch-luxemburgische Handelskammer ChinaLux verfolgt die Entwicklung der Situation aufmerksam. „Wir sind uns der Besorgnis der Wirtschaftsvertreter bewusst, wir bleiben aber optimistisch“, erklären ChinaLux-Präsidentin Xie Zhujun und -Vizepräsident Jacques Bortuzzo. Die chinesisch-luxemburgische Handelskammer bringt 180 Firmen zusammen, davon machen mehr als 90 Prozent Geschäfte mit China. „Im Großherzogtum gibt es viele Banken, Großunternehmen und Investitionsfonds aus China“, so die ChinaLux-Repräsentanten. Einige Mitarbeiter dieser Firmen, die zum chinesischen Neujahrsfest nach China gereist waren, sitzen derzeit in China fest – ohne nach Luxemburg zurückkommen zu können.
Allgemein lassen sich die wirtschaftlichen Folgen für das Großherzogtum nach Ansicht der Luxemburger Handelskammer derzeit noch nicht beziffern. Klar ist aber: China ist ein bedeutender Handelspartner für Europas exportorientierte Wirtschaft. Auch Luxemburg pflegt mit China enge wirtschaftliche Beziehungen (siehe unten). Dort wird versucht, die Situation zu beruhigen. Die Auswirkungen auf die Wirtschaft seien „nur von kurzer Dauer“, wird Staatschef Xi Jinping zitiert.
Banken, Industrie, Handel
Neben dem Frachtverkehr wirken sich die Folgen des Corona-Virus allerdings auch auf andere Wirtschaftszweige in Luxemburg aus. So sind bei der Banque Internationale à Luxembourg (BIL) alle Geschäftsreisen nach China gestoppt worden; die Bank hatte erst im September eine Filiale in der chinesischen Hauptstadt Peking eröffnet. „Wir kommunizieren via Videokonferenzen, E-Mails und Telefon“, erklärt ein BIL-Sprecher, „damit gibt es derzeit keine Auswirkungen auf unsere Geschäfte, wir verfolgen aber aufmerksam die Entwicklungen.“ Die BIL beschäftigt in China drei Mitarbeiter.
Bei den im Großherzogtum vertretenen chinesischen Banken wurden strenge Vorsichtsmaßnahmen eingeführt. So wurden bei der Luxemburger Niederlassung der „Industrial and Commercial Bank of China“ (ICBC) Desinfektionsmittel, Einweghandschuhe und Atemmasken verteilt. „Mitarbeiter, die von China-Reisen zurückkommen, müssen zwei Wochen lang von zu Hause arbeiten“, heißt es bei der Firma. Wie die Bank of China mit der Situation umgeht, möchte sie trotz Nachfrage des „Luxemburger Wort“ nicht sagen.
Auch Firmen der Luxemburger Industriebranche müssen sich den neuen Gegebenheiten anpassen. Beispiel Paul Wurth: Der Luxemburger Maschinen- und Anlagenbauer für die Metallindustrie hat eine Niederlassung in Peking und betreibt eine Produktionsstätte in Shanghai – dort werden insgesamt 80 Mitarbeiter beschäftigt, davon zwei aus der Zentrale in Luxemburg. „Alle Mitarbeiter sind bei guter Gesundheit“, beruhigt die Firmensprecherin.
Am vergangenen Montag sei der Betrieb „in begrenztem Umfang“ wieder angelaufen. Dennoch bleibt es bei Einschränkungen; das Reiseverbot für Paul-Wurth-Mitarbeiter nach China bleibt vorerst bestehen. Noch aber seien die unmittelbaren wirtschaftlichen Konsequenzen begrenzt, heißt es bei dem Unternehmen: „Wir verfolgen genau, welche Folgen die Situation auf die Umsetzung von Projekten hat, bei denen Lieferungen aus China vorgesehen sind.“ Darüber hinaus weist die Firma darauf hin, dass „in den letzten Tagen mehr als 50 000 Atemmasken gekauft und den Mitarbeitern von Paul Wurth in China sowie dem Mutterkonzern SMS group zur Verfügung gestellt wurden.“
In der Luxemburger Lebensmittelbranche sind die wirtschaftlichen Folgen des Corona-Virus derweil kaum spürbar. Die Brasserie Nationale exportiert zwar einen Teil ihrer Bierproduktion nach China – doch handelt es sich dabei um vergleichsweise kleine Mengen, wie ein Sprecher erklärt. Ähnliches gilt für Luxlait: Nach Fernost werden, ebenfalls in geringen Mengen, insbesondere solche Milchprodukte exportiert, die ultrahocherhitzt, steril verpackt und lang haltbar sind.
