Autoindustrie hadert mit dem Wandel
Autoindustrie hadert mit dem Wandel
Sie gehört zu Europas großen Wirtschaftszweigen: Die Autoindustrie. Und kaum eine Branche strauchelt derzeit so sehr wie sie.
Lange Zeit erfolgsverwöhnt – der Vergleich mit der Situation der Banken bis zur Weltfinanzkrise 2008 drängt sich einem auf – herrscht nun Krisenmodus: Die Entwicklung alternativer Antriebe haben Europas Autohersteller verschlafen.
Aufgeschreckt wurden sie dann durch Tesla, den ersten Hersteller, der es mit einem alternativen Antrieb wirklich ernst meinte. Gleichzeitig stolperte Branchenprimus Volkswagen über manipulierte Abgaswerte.
Teurer Technologiewechsel
Jetzt ziehen die Hersteller die Notbremse: Nach Milliarden an Strafzahlungen folgen nun Milliarden für Investitionen in die Elektromobilität, die 2018 einen Marktanteil von 2,7 Prozent bei den weltweit verkauften Fahrzeugen erreichte.
Noch steht aber die Höhe der Investitionen in keinem Verhältnis zur Nachfrage. Allerdings können die Hersteller kurzfristig ihre CO2-Bilanz nur verbessern, indem sie E-Autos bauen.
Volkswagen will darum eigens eine neue Batteriezell-Fabrik bauen. Um den Verkauf solcher Modelle zu fördern, zahlen manche Regierungen Kaufprämien, auch Luxemburg. Gleichwohl steckt die Ladeinfrastruktur noch in den Kinderschuhen. Umgekrempelt wird das Geschäftsmodell der Autohersteller zusätzlich durch die Digitalisierung, die selbstfahrende Fahrzeuge ermöglicht, was ebenfalls exorbitante Investitionen von den Autobauern verlangt.
Reagiert haben sie alle schon darauf: Nicht nur die Autokonzerne von Audi bis VW, haben hohe Investitionen in neue Antriebe angekündigt und gleichzeitig Stelleneinsparungen, auch die Zulieferer streichen Stellen, allen voran die ganz Großen der Branche, Schaeffler, Continental, Bosch, Mahle. Allein im Autoland Deutschland kostet das rund 50 000 Arbeitsplätze.
Kooperationen werden wichtiger
Um die steigenden Kosten bei zugleich schwindendem Absatz tragen zu können, setzen Hersteller wie Volkswagen auf Kooperationen. Andere wie PSA aus Frankreich und der italienisch-amerikanischen Wettbewerber Fiat-Chrysler (FCA) fusionieren sogar. „Einige der heute noch eigenständigen Autokonzerne werden in zehn Jahren nur noch als Marke innerhalb eines der wenigen Megakonzerne existieren“, heißt es dazu in einer Studie des Beratungsunternehmens EY Deutschland.
Inzwischen sind die operativen Gewinne der weltweit größten Hersteller auf den niedrigsten Stand seit 2011 gefallen. Verschärft wird das ganze dadurch, dass der bislang boomende Automarkt China wegen des Handelskonflikts mit den USA einknickte. Dort, wohin inzwischen weltweit jeder dritte Neuwagen verkauft wird, ist nach zwei Jahrzehnten Dauerwachstum letztes Jahr erstmals der Autoabsatz zurückgegangen.
Seitdem ist keine Besserung zu sehen. Im September sind in China die Autoverkäufe erneut, den 15. Monat in Folge, zurückgegangen. „Nach unseren Berechnungen werden allein im weltweiten Automarkt in den Jahren 2018 bis 2024 kumuliert Umsatzeinbrüche von mehr 35 Millionen Fahrzeugen (Pkw) und 700 Milliarden Euro zu verkraften sein“, sagt CAR-Direktor Professor Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Center Automotive Research (CAR).
Das Beratungsunternehmen Alix Partners prognostiziert für den europäischen Automarkt eine Stagnation, die bis 2026 dauern könnte; schlimmer noch in den USA, wo der Markt in diesem Zeitraum um jährlich -0,1 Prozent schrumpfen soll.
Auch dass sich die Mobilität in der Zukunft ändern dürfte, macht den Herstellern zu schaffen. Sie werden weniger Autos verkaufen, weil weniger nachgefragt werden, denn die Digitalisierung macht einfaches Carsharing möglich, also die Nutzung eines Fahrzeugs durch verschiedene Personen.
Manche Autobauer haben darum schon Tochterfirmen für „Flottenmanagement“ gegründet nach dem Motto: wenn wir schon nicht mehr Autos verkaufen, wollen wir wenigsten an der mehrfachen Nutzung mitverdienen.
Neustart bei der Zulieferindustrie
Die Umsatzeinbußen bei den Herstellern geht auch an den Zulieferern in Luxemburg nicht spurlos vorbei mit ihren rund 9 000 Mitarbeitern.
Denn mehr Elektroautos bedeutet für die Zulieferer auch weniger Kolben oder Zylinder. Laut Julian Proffitt, Präsident des Verbands der Luxemburger Autozulieferer (ILEA), sind für die Hersteller momentan die hohen Investitionskosten für Elektromobilität problematisch, und der daraus resultierende Verkaufsdruck, um die Investitionskosten wieder einzunehmen. Der Übergang zur Elektrifizierung ist auch für die ILEA-Mitglieder eine Herausforderung: sie müssen nun ihre Innovationsfähigkeit unter Beweis stellen und ihre Geschäftsmodelle anpassen.
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