Attraktiv für internationale Konzerne bleiben
Attraktiv für internationale Konzerne bleiben
Von Laurent Schmit
Vor dem spärlich besetzten großen Saal des Cercle kam Norbert Becker am Freitagabend schnell zur Sache: „In der Steuerpolitik erleben wir gerade einen Paradigmenwechsel in Richtung Transparenz. Zwischen den Staaten wird der Wettbewerb dennoch härter, weil alle Länder Unternehmen anlocken wollen“, meinte der Vorsitzende der Steuerberatungsfirma Atoz.
„Luxemburg muss sich in der Steuerpolitik an seinen Konkurrenten wie etwa Irland oder Großbritannien orientieren“, betonte Becker, dessen Einfluss in der DP ein offenes Geheimnis ist. Der Grund ist für ihn einfach: „Es ist ein Mythos, dass die neuen OECD-Regeln zu einem ‚level playing field‘ in der Steuerpolitik führen.“
Luxemburg muss sich in der Steuerpolitik an seinen Konkurrenten wie etwa Irland oder Großbritannien orientieren.
Die OECD geht mit der sogenannten Beps-Initiative gegen aggressive Steueroptimierung von multinationalen Konzernen vor. Als Vorstandsmitglied zahlreicher internationaler Konzerne mit Präsenz in Luxemburg – darunter etwa Paypal Europe – sieht sich Becker tagtäglich mit der Wettbewerbsfähigkeit Luxemburgs in diesem Feld konfrontiert.
Um die Erwartungen aller Steuerzahler gegenüber der angekündigten Steuerarbeit zu erfassen, führte Atoz in Zusammenarbeit mit Quest eine Umfrage unter 300 Entscheidern (mehrheitlich aus dem Finanzsektor) und 1.000 repräsentativ ausgewählten Luxemburger Haushalten durch.
Steuersatz senken
Damit Luxemburg weiterhin attraktiv für internationale Konzerne bleibe, war eine Hauptforderung des Abends, den nominalen Steuersatz für Unternehmen zu senken. Aktuell liegt dieser in Luxemburg bei etwa 29 Prozent, rechnet man die Körperschafts- und die kommunale Gewerbesteuer sowie den Beitrag zum Beschäftigungsfonds zusammen.
„Großbritannien hat heute einen Steuersatz für Unternehmen von 18 Prozent, Irland liegt bei 12 Prozent“, hob Becker hervor. Dazu kämen Betriebskosten, die in Irland um ein Drittel niedriger lägen als in Luxemburg. Becker plädiert deshalb für eine langsame Absenkung des Steuersatzes in Richtung der Konkurrenten.
Knapp drei Viertel der Entscheider in Luxemburg befürworten eine Senkung des Satzes auf 15 Prozent. Das zeigt die von Atoz in Auftrag gegebene Umfrage. Beim kürzlich erschienenen Politmonitor sprachen sich gar 80 Prozent der Einwohner für eine „signifikante“ Senkung aus. Bei der Gegenfinanzierung hört der Konsens jedoch auf. Am Freitagabend waren sich die Diskussionsteilnehmer einig, dass im Gegenzug die Besteuerungsgrundlage erweitert werden sollte. Doch in der Umfrage fand diese Maßnahme mit 24 Prozent wenig Zuspruch. Norbert Becker argumentierte, dass eine Steuersenkung zu höherem Wirtschaftswachstum führe – das habe die OECD für Irland festgestellt. Eine solche Reform müsse demnach nicht zwangsläufig zu Steuereinbußen führen.
Vertrauen und Vorhersehbarkeit
Aus der Umfrage geht hervor, dass Unternehmen großen Wert auf Stabilität, Vorhersehbarkeit und Vertrauen legen. Der Staat erhält von den 300 befragten Entscheidungsträgern in diesem Punkt gute Noten. Immerhin knapp 60 Prozent bewerten die Vorhersehbarkeit der Steuerpolitik als ausgezeichnet oder gut. Gerade für die weitere Entwicklung der Fondsindustrie sei dies ein wichtiger Faktor, kommentierte Alfi-Präsidentin Denise Voss.
Von einem „außergewöhnlich guten Ergebnis“ im Vergleich zu anderen Ländern sprach Keith O'Donnell, Partner bei Atoz, in Bezug auf die Frage zum Verhältnis mit der Steuerbehörde. Die Hälfte der Befragten antwortete mit „sehr gut“ oder „gut“. Ein Drittel wertete die Beziehung als neutral.
Tax Rulings werden aufgekündigt
Doch genau dieses vertrauensvolle Verhältnis sieht Norbert Becker aktuell bedroht. Der Grund: Die Steuerverwaltung stelle bestehende Tax Rulings ohne Rücksprache mit den betroffenen Unternehmen in Frage, kritisierte er.
Die Tax Rulings – also Steuervorbescheide – gelten oft für mehrere Jahre, da Planungssicherheit deren Hauptzweck ist. Wird die Vereinbarung aufgekündigt, verliert das Unternehmen eben gerade diese Sicherheit. Börsennotierte Unternehmen müssten oft eine Prognose über fünf Jahre vorlegen, erklärte Becker. Verändere sich die Besteuerung, müssten sie die Prognose anpassen – mit möglichen Folgen für den Aktienkurs.
„Durch diese Infragestellung riskiert Luxemburg als unzuverlässig zu gelten“, klagte Becker. Jedem Beteiligten sei klar, dass nach Beps bestimmte Arten von Rulings nicht mehr möglich seien, aber dies dürfe nicht bestehende Vereinbarungen betreffen.
Vermögenssteuer abschaffen
Vor allem Christophe Velle, Generaldirektor der Intesa Sanpaolo Holding International, formulierte die dritte Forderung: Die Vermögenssteuer von 0,5 Prozent auf Unternehmen abzuschaffen oder zumindest zu begrenzen. Luxemburg sei eines der wenigen Länder, das über eine solche Steuer verfüge. In der Umfrage erreichte eine Begrenzung dieser Steuer 53 Prozent Zustimmung.
Die Holding, die Velle leitet, hält Beteiligungen an Banken in zahlreichen Ländern. Um den Tochtergesellschaften beistehen zu können, verfügt die Holding in Luxemburg über ein Vermögen von zehn Milliarden Euro – worauf die 0,5 Prozent Steuern fällig werden.
Doch der Finanzminister hat auf diese Kritik reagiert. Seit kurzem sieht ein Gesetzesentwurf vor, dass oberhalb einer Grenze von 500 Millionen der Satz auf 0,5 Promille gesenkt wird. Trotz aller Forderungen wurde am Abend mehrfach betont, dass heute Konzerne nicht nur aus Steuergründen ins Land kommen.
Eine Frage der Kommunikation
„Unser Ziel ist nicht, Lobbyarbeit zu betreiben, sondern zu erfahren, was der Steuerzahler denkt“, erklärte Keith O'Donnell von Atoz bei der Vorstellung der Resultate am Freitagabend. Bei den Antworten schälten sich interessante Einblicke heraus. Hier eine Auswahl:
- Informationslücke: Eine deutliche Mehrheit aller Befragten wertet die Luxemburger Steuerpolitik als unternehmensfreundlich. In der nächsten Frage gaben jedoch viele zu, das Steuersystem kaum zu kennen. Lediglich 56,7 Prozent der Entscheider glauben, das Steuersystem sehr gut oder gut zu kennen. Dieses Wissen trauen sich nur 24,2 Prozent der Haushalte zu. Für O'Donnell ist es daher wichtig, in Steuerfragen verständlich zu kommunizieren.
- Schmerzgrenze: Wie viel Steuern sind Sie bereit zu zahlen, lautete eine weitere Frage. Als Indikator wählten Atoz und Quest die Zahl der Tage, die der Befragte gewillt ist zu arbeiten, um Steuern zu zahlen. Die Mehrheit der Antworten lag bei etwa einem Drittel der Arbeitstage eines Jahres. Die Streuung der Antworten war allerdings groß. Auch hier sieht O'Donnell ein Kommunikationsproblem, da viele Antworten losgelöst von der Realität seien. Das was der Staat im Gegenzug als Dienstleistungen biete, bliebe teils unberücksichtigt.
- Stabilität vs. Steuererleichterungen: Etwas überraschend ist, dass 43,7 Prozent der Entscheider einen ausgeglichenen Haushalt als Top-Priorität der Steuerpolitik sehen. 35 Prozent sehen dagegen Steuererleichterungen für Unternehmen als Priorität. Das AAA-Rating zu erhalten, halten nur 21,1 Prozent für wichtig. O'Donnell unterstrich, dass Verantwortliche von multinationalen Konzernen Haushaltsstabilität wichtiger finden als Steuererleichterungen. Nur 19 Prozent sehen letzteres als Priorität, gegenüber 42 Prozent der Führungskräfte, die ein rein Luxemburger Unternehmen leiten.
- Beps: les 10 questions les plus posées
- EU-Kommission verurteilt Luxemburgs Steuerpraxis
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