Am „Superregulator“ scheiden sich die Geister
Am „Superregulator“ scheiden sich die Geister
(ndp) - Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA soll dank einem europäischen Richtlinienentwurf mehr Befugnisse bekommen – zu viele, meinen Kritiker aus Luxemburg. „Wir sehen darin keine Vorteile. Es wird zu einer zusätzlichen Regulierungsschicht führen, viel Geld kosten und die Markteinführungszeit von Investmentfonds deutlich verschlechtern“, sagt die Präsidentin des Luxemburger Fondsverbands (Alfi) Denise Voss anlässlich der „Alfi European Asset Management Conference“ auf Kirchberg.
Anders als in der Bankenaufsicht ist die Aufsicht der Finanzmärkte bisher Sache der Nationalstaaten. In Luxemburg ist dafür die CSSF (Commission der surveillance du secteur financier) zuständig, in Deutschland die Bafin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) und in Frankreich die AMF (Autorité des marchés financiers). Mit dem neuen Richtlinienentwurf verschiebt sich die Macht langsam aber sicher hin zur ESMA. Die Behörde soll künftig unter anderem Überwachungsaufgaben für Investmentfonds erhalten, bei deren Verwaltung ein Teil der Aufgaben von Drittländern übernommen wird. Diese grenzüberschreitenden Fonds sind eine der Stärken der Luxemburger Fondsindustrie. Die Reformpläne der europäischen Kommission hatten im Oktober vergangenen Jahres für große Aufregung am Luxemburger Finanzplatz gesorgt.
Doch nicht überall stößt das Projekt auf Ablehnung. „Wir unterstützen das Vorhaben, weil es im Zusammenhang der Schaffung einer Kapitalmarktunion kohärent ist“, sagt Pierre Bollon, Vertreter der „Association française de la gestion financière“ (AFG). „In der Post-Brexit-Ära wird es mit Paris, Luxemburg, Amsterdam, Dublin und Frankfurt eine Vielzahl von Finanzzentren mit globaler Relevanz geben. Dies kann zu mangelnder Effizienz führen, zu geringeren Größenvorteilen. Daher ist es umso mehr erforderlich, dass die EU eine gemeinsame Grundlage für Regulierung schafft“. Zunehmend sehe man, dass die ESMA mehr Macht bekommt, ohne dass dabei die Leitungsgremien verändert werden. „Unser Vorschlag daher wäre eine komplett neue Organisation aufzubauen. Die Behörde sollte grundlegend umgestaltet werden“, meint der französische Experte.
„Modell funktioniert gut“
Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des deutschen Fondsverbands BVI in Frankfurt, teilt diese Meinung nicht. Die ESMA spiele bereits in der EU eine Schlüsselrolle als gemeinsame Regulierungsbehörde. Was aber die Stärkung ihrer Aufgabe als gesamteuropäische Aufsichtsbehörde betrifft, so sei eine „gewisse Skepsis“ schon angebracht. „Jeder von uns weiß, dass das Meisterstück der ESMA-Aufsicht die klassischen Ucits-Fonds und Alternative Investment Fonds betrifft. Dabei ist es gerade hier nicht im Interesse des Endkonsumenten, einen Finanzaufseher zu haben, der zahlreiche und sehr unterschiedliche Länder und Sprachen überwacht.“ Zu weit weg sei die ESMA von den nationalen Behörden. Eine einheitliche europäische Regulierung gehe nicht auf die Unterschiede zwischen den Ländern ein; statt einfacher könnte die neue Behörde einiges komplizierter machen. Die bestehenden Unterschiede hätte man übrigens auch durch eine Anpassung der europäischen Regelungen ausgleichen können – „dafür braucht man keinen Superregulator“.
Alfi-Generaldirektor Camille Thommes ist ebenso wenig begeistert – auch wenn der Richtlinienentwurf einige positive Elemente beinhaltet. Die ESMA habe bereits die nötigen Mittel, „um Konvergenz zu erzielen“. „Es bringt für den Endkonsumenten keine nennenswerte Vorteile, die Wettbewerbsfähigkeit in Europa wird dadurch nicht verbessert“. Darum sei für die Alfi nicht verständlich, warum nun bei den Investmentfonds, sofern Funktionen davon in Drittländer ausgelagert sind („Delegation Arrangement“), die hiesige Aufsicht künftig die ESMA in Paris verständigen soll. „Das bestehende Modell funktioniert gut. Es gibt keine Versäumnisse, Misserfolge. Warum also sollte man eine Lösung suchen für ein Problem das es nicht gibt“, sagt Camille Thommes, der deutliche Nachbesserungen beim Entwurf der EU-Kommission fordert.
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