Wählen Sie Ihre Nachrichten​

71 Seiten an Luxemburger Vorbehalten
Wirtschaft 2 Min. 08.06.2017 Aus unserem online-Archiv
Internationales Steuerabkommen

71 Seiten an Luxemburger Vorbehalten

Pierre Gramegna unterschrieb am Mittwoch ein Steuerabkommen von über 70 Ländern in Paris.
Internationales Steuerabkommen

71 Seiten an Luxemburger Vorbehalten

Pierre Gramegna unterschrieb am Mittwoch ein Steuerabkommen von über 70 Ländern in Paris.
Foto: OECD
Wirtschaft 2 Min. 08.06.2017 Aus unserem online-Archiv
Internationales Steuerabkommen

71 Seiten an Luxemburger Vorbehalten

Laurent SCHMIT
Laurent SCHMIT
Finanzminister Gramegna unterzeichnete am Mittwoch einen Vertrag gegen die Steuervermeidung von Konzernen. Das zeige das Luxemburger Engagement für mehr Transparenz, so der Minister. Doch im Kleingedruckten sieht es anders aus.

(las) - "Bahnbrechend", eine "große Leistung" nannte Finanzminister Pierre Gramegna auf Twitter das Multilaterale Instrument der OECD, ein Abkommen von über 70 Ländern, das er am Mittwoch im Namen Luxemburgs unterschrieb. Das Übereinkommen soll den Missbrauch von Steuervereinbarungen zwischen den teilnehmenden Ländern verhindern.

Doch das Abkommen lässt den Ländern in zahlreichen Punkten offen, ob sie diese anwenden wollen. Luxemburg macht von dieser Möglichkeit intensiv Gebrauch: Bei 16 von 39 Artikeln formulierte die Regierung Vorbehalte - sprich Luxemburg behält sich das Recht vor, diese Regeln nicht anzuwenden. Die Details der Ausnahmen füllen 71 Seiten.

Alle Staaten haben eine solche Liste hinterlegt, doch Luxemburg hat besonders viele Vorbehalte geäußert. Die Länder, mit denen Luxemburg im Steuerwettbewerb um die Gunst internationaler Konzerne steht, waren zurückhaltender: Irland äußerte 12 Vorbehalte, Großbritannien 7 und die Niederlande ganze 4. An die 71 Seiten Luxemburgs kommen sie auch nicht heran. Der Trend, dass die Regierung wieder härter steuerpolitische Interessen verteidigt, scheint sich zu bestätigen.

(Un)gleiche Regeln

Mit der Unterschrift des Vertrags erneuere Luxemburg sein Netzwerk an Doppelbesteuerungsabkommen, betonte Pierre Gramegna. Die Übereinkunft erlaube Lücken in diesen Vereinbarungen zu schließen und ermögliche, dass es zu einem "level playing field" führe - sprich, dass für alle die gleichen Regeln gelten.

Allerdings müssen zwei Länder die gleichen optionalen Regeln ausgewählt haben, damit sie Anwendung finden. Ist ein Konzern etwa in Luxemburg und in den Niederlanden tätig, dann findet etwa Artikel 4 zu doppelten Firmensitzen keine Anwendung, weil Luxemburg hier einen Vorbehalt hat - auch wenn die Niederlande der Regel zugestimmt hat. Wann welche Regel gilt, wird in der Praxis noch viel Kopfzerbrechen bereiten.

Mehr Spielraum für die Regierung

Die Liste der Vorbehalte ist allerdings nicht endgültig, betont die OECD. Erst nach der Ratifizierung durch die Chamber wird die Liste in der Praxis Anwendung finden. In der Finanz- und Haushaltskommission des Parlaments war die Verhandlungsposition Luxemburgs am 24 Januar ein Thema. Gramegna betonte damals, dass nur ein Vorbehalt einem Land ermögliche, die nicht verpflichtenden Regeln des Vertrags nicht anzuwenden. Mehr Vorbehalte lassen der Regierung demnach mehr Spielraum.

Die CSV-Fraktion wünscht sich jedoch mehr Informationen: Am Donnerstag forderten die CSV-Abgeordneten Claude Wiseler und Laurent Mosar, dass der Finanzminister in der nächsten Sitzung der Finanz- und Haushaltskommission dazu Stellung bezieht. Der Minister habe der Kommission im Januar nicht die Optionen vorgelegt, die die Regierung der OECD zusandte.

Das Multilaterale Instrument hat unter den Luxemburger Steuerberatern wenig Freunde: zu kompliziert und eine Dopplung mit bestehenden EU-Regeln. Positiv bewertet wird dagegen das Schlichtungsverfahren zwischen Steuerverwaltungen mehrerer Länder, das das Abkommen bei Streitfällen ermöglicht. Das Finanzministerium betont in einer Pressemitteilung, dass Luxemburg dieses optionale Schlichtungsverfahren anwenden wird.

Folgen Sie uns auf Facebook, Twitter und Instagram und abonnieren Sie unseren Newsletter.


Lesen Sie mehr zu diesem Thema

OECD-Steuerabkommen
16 von 39 Artikeln des neuen OECD-Steuerabkommens will die Regierung nicht oder nur teilweise umsetzen. Es geht um den Erhalt mehrerer Steuernischen für internationale Unternehmen.
In Steuerfragen vertritt Finanzminister Pierre Gramegna eine defensivere Haltung als noch vergangenes Jahr.
Trumps Alleingänge
Der US-Steuerprofessor Omri Marian kritisiert gerne Luxemburg wegen seiner Steuerrulings, doch auch in den USA sieht er besorgniserregende Entwicklungen. Die von Trump angekündigte Steuerreform könnte vieles verändern.
Wie in der Klimapolitik sind die USA auch in Steuerfragen unter Trump skeptisch gegenüber internationalen Abkommen.
Es verliert, wer sich zu sehr bewegt: Diese Regel gilt gerade auch in der internationalen Steuerpolitik. Ein neues Abkommen verlangt eine klare Positionierung von Luxemburg. Doch weder ist der Ausgang klar, noch was auf dem Spiel steht.
Finanzminister Pierre Gramegna steht unter Druck, gegenüber der OECD nicht zu kooperativ zu sein.
Luxemburg und die EU-Steuerpolitik
Noch während die internationale Presse im Luxleaks-Prozess das zweite Urteil erwartet, scheint es wieder akzeptabel, dass Luxemburg seine steuerpolitischen Interessen offensiv verteidigt. Doch nicht alle teilen die neue Linie.
Rückendeckung aus der Chamber: DP-Fraktionschef Eugène Berger (l.) und Finanzminister Pierre Gramegna sehen die nationalen Interessen Luxemburgs durch die EU-Pläne gefährdet.
Das Europaparlament will den Konzernen das Ausnutzen von Steuerschlupflöchern erschweren. An diesem Montag ist eine Delegation der Steuer-Spezialkommission des EU-Parlaments nach Luxemburg gekommen, um die umstrittenen „Tax Rulings“ unter die Lupe zu nehmen.
Eine Spezialkommission des EU-Parlaments soll Licht ins Dunkel der "Tax Rulings" bringen.
#Luxleaks: Stellungnahme der Regierung
Bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz versuchte die Regierung am Donnerstagvormittag, die wachsende internationale Kritik gegen Luxemburg  zu entkräften. Die geheimen Steuerabkommen seien nicht illegal, sagte Bettel. Der Finanzausschuss wird sich am Freitag in Anwesenheit von Finanzminister Gramegna mit den Enthüllungen  befassen.
Premier und Vizepremier, Finanz- und Justizminister traten zur gemeinsamen Pressekonferenz an, nachdem die Regierung am Freitagmorgen zunächst keine Stellungnahme abgeben wollte.